Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
diese Organisation ist eine Organisation der Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten und der Hilfe bei der Umsetzung und der Einhaltung der Werte, denen wir uns verschrieben haben. Das ist das Fundament dieser Organisation und das ist im Prinzip alles, was wir haben und alles, was wir bewahren müssen und wir dürfen dort keine Kompromisse machen.
Die Türkei ist einer Menge von Herausforderungen ausgesetzt an der Grenze zwischen Europa und Asien, keine leichte Situation. Das konnte man in der Geschichte der Türkei sehen und das sieht man auch heute und natürlich – und der Putschversuch ist angesprochen worden – gibt es besondere Belastungen in der jüngsten Geschichte des Landes. Und ich will betonen, die Türkei ist Teil Europas und Teil dieses Europarats und das ist auch gut so.
Ich will ausdrücklich betonen und habe das auch in meinem politischen Leben immer gemacht, dass die Türkei auf einem sehr guten Weg war; einem Weg eine lebendige Zivilgesellschaft zu entwickeln; auf einem sehr hoffnungsvollen Weg, zu kämpfen gegen Folter und unrechtmäßige Behandlung, und auch den Dialog zu starten mit denen, die sich um die kurdische Sache besonders bemüht haben.
Aber heute, und das ist leider festzustellen, bewegt sich die Türkei auf einem Weg der Repression, und zwar immer dramatischer und das müssen wir hier feststellen. Wir haben ein Klima der Einschüchterung. Wenn man mit Menschen in der Türkei oder aus der Türkei redet, dann merkt man, dass diese Einschüchterung wirkt und das ist ja gewollt, dass entsprechend die Opposition und die Zivilgesellschaft unter Druck gesetzt wird. Und das betrifft eben nicht nur die HDP, die zwar besonders in diesem Bericht auftaucht, sondern es betrifft auch mindestens die Oppositionspartei CHP. Es betrifft Journalistinnen und Journalisten, NGOs, Blogger, Anwälte, Professoren und so weiter, alles das, was man sich an lebendige Zivilgesellschaft in jedem europäischen Mitgliedstaat des Europarates wünscht.
Auf der Ebene des Parlaments ist es eben die CHP, die besonderen Anfeindungen ausgesetzt ist, aber eben vor allen Dingen auch die HDP; und deswegen werden diese Fälle hier auch besonders berücksichtigt. Ich will das unterstreichen, was gerade gesagt wurde:
Abgeordnete müssen im Parlament sitzen und nicht im Gefängnis. Wo kommen wir denn hin in dieser Organisation, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn das anders ist. Und weltweit, zum Glück weltweit, gibt es nicht so viele Fälle, wo Menschen, die Abgeordnete sein sollten, im Gefängnis sitzen. Aber an der Spitze dieser Staaten weltweit ist es eben die Türkei. Und wenn nicht diese Organisation, wer soll das besonders anprangern? Es ist der Fall von Ertuğrul Kürkçü, der gerade erwähnt worden ist, der hier Ehrenmitglied dieser Versammlung ist und zwei Jahre ins Gefängnis soll für eine Rede, die er gehalten hat. Es ist der Fall von Herrn Demirtaş, der, obwohl es ein Gerichtsurteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gibt, weiterhin im Gefängnis ist, und da hört es auf, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist das Heiligtum dieser Organisation. Wenn ein Spruch des Gerichtes erfolgt, haben wir alles zu tun, um entsprechend die Durchsetzung zu gewährleisten. Deswegen finde ich auch, dass wir eine Ergänzungen machen sollten in diesem Bericht, und uns selbst darauf verpflichten, das Komitee der Minister zu erinnern daran, dass wir einen harten Mechanismus haben – das ist der Artikel 46.4. Und in einem solchen dramatischen Fall, wo ein Gerichtsurteil offensiv nicht umgesetzt werden muss, finde ich, muss er auch zur Anwendung kommen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin.
Kollege Schwabe hat schon darauf hingewiesen: eine lange Geschichte der an sich guten Beziehung zur Türkei, auch der Bundesrepublik Deutschland oder vielleicht insbesondere der Bundesrepublik Deutschland liegt hinter uns, und sie liegt hoffentlich auch vor uns. Und ich bin ziemlich sicher, dass diese Freundschaft nicht so leicht auch durch zwischenzeitliche Störungen grundsätzlich zu erschüttern ist.
Ich will selbstverständlich anerkennen die außerordentliche Leistung, die die Türkei im Zusammenhang mit der gewaltigen Krise von Flüchtlingen, die infolge des syrischen Bürgerkrieges auch in ihrem Land Zuflucht gefunden haben, die ganz bemerkenswert und sehr, sehr dankenswert ist. Und ich will selbstverständlich auch das Recht jedes Landes, sich gegen Terror zu wehren, in keiner Weise bestreiten.
Allerdings ist die Anti-Terror-Gesetzgebung in der Türkei so weit ausgeufert und zu einem großen Missbrauch geworden, sodass also im Grunde unter dem Terrorverdacht fast beliebig Menschen unterdessen inhaftiert werden können, dass das Anlass zu allergrößter Besorgnis gibt und dass wir jedenfalls in jedem Einzelfall uns auch erhoffen und erwünschen würden, dass belegt wird, wie die Verhaftung im Einzelfalle zu begründen ist. Das halte ich für sehr, sehr wichtig.
Was die Aufhebung der Immunität im Parlament angeht, will ich jedenfalls schon sagen, die hat ja das türkische Parlament selbst beschlossen mit einer Zweidrittelmehrheit. Also daran will ich eigentlich nur erinnern, genauso wie ich daran erinnern will, dass die Verfassungsänderungen von der Mehrheit der Bevölkerung beschlossen wurde, genauso wie eben in der Summe das Präsidialsystem, was jetzt auf den Weg gebracht wurde.
Ich hoffe, dass wir die Türkei dazu bewegen können, den Pluralismus und die Zivilgesellschaft zu stärken in ihrem Land, und dass vielleicht der aus meiner Sicht wichtigste Punkt im Pluralismus der Medienvielfalt sich das widerspiegelt. Das ist nämlich auch aus meiner eigenen Beobachtung während der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen, an denen ich als Beobachter teilnehmen konnte, vielleicht der eigentlich kritische Punkt gewesen, dass die Möglichkeit, sich breit und vielfältig zu informieren eben angesichts der Konzentration der Medien bei, sagen wir mal, AKP oder auch Erdogan-nahen Unternehmerpersönlichkeiten so stark ist, dass einfach eine Vielfalt informierter Meinungsbildung im Vorfeld solcher Wahlen nur sehr, sehr schwer möglich ist. Ansonsten kann ich sehr wohl bestätigen, die Türken sind ein sehr wahlfreudiges Volk und sie nehmen von ihrem Wahlrecht sehr, sehr aktiv Gebrauch, nehmen das sehr, sehr aktiv wahr. Und dass sie das auch in differenzierter und informierter Weise in Zukunft tun können, dafür sollten wir auch hier kämpfen. Und ich möchte die Türkei ermuntern, ihr zunächst ja noch stärkeres Engagement hier im Europarat auch wieder wahrzunehmen und entsprechend vielleicht auch wieder zurückzukehren als großer Beitragszahler in dieser Versammlung.
Vielen Dank, Frau Präsidentin.
Verehrte Kollegen und Kolleginnen, ich glaube, wenn wir hier im Hohen Hause als Abgeordnete dieselbe Meinung vertreten würden, dann hätten wir eigentlich keine parlamentarische Arbeiten mehr durchführen brauchen. Ich denke, jeder Abgeordnete ist frei und ich muss nicht genauso denken, wie die weiteren Kollegen oder nur eine Politikrichtung und das ist die Politikrichtung von der AKP - das nur zur Klarstellung.
Übergriffe, Festnahmen von Oppositionspolitikern, Friedensaktivisten, Journalisten, Beamten, Frauen, Jugendliche, Gewerkschaftlern gehört heute zur Tagesordnung. Es vergeht kein Tag, wo unsere Parteimitglieder festgenommen werden oder zu Haftstrafen verurteilt werden. Die HDP ist die drittstärkste Fraktion im türkischen Parlament mit mehr als sechs Millionen Wählern. Parteivorsitzende, Abgeordnete, Bürgermeister sitzen im Gefängnis. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Freilassung von unserem ehemaligen Vorsitzenden Selahattin Demirtaş angeordnet, aber der türkische Präsident Erdogan hat mitgeteilt, die Türkei sei durch das Urteil nicht gebunden.
Die Frage möchte ich hier stellen: Ist die Türkei gebunden an die Beschlüsse des Rates und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte oder nicht? Diese Frage müssen wir hier offen stellen. Seit mehr als 68 Tagen befindet sich Leyla Güven in einem unbefristeten Hungerstreik. Leyla Güven ist HDP-Abgeordnete und die Co-Vorsitzende des Kongresses für eine demokratische Gesellschaft DTK. Warum sitzt Leyla Güven im Gefängnis? Weil sie den Einmarsch von Afrin als Besetzung bezeichnet hatte. Seit dem 8. November 2018 ist Leyla Güven im Hungerstreik für die Forderung der Aufhebung der Isolationshaft von Abdullah Öcalan und nicht für die Freilassung – das auch noch mal zur Klarstellung. Der Gesundheitszustand von Leyla Güven verschlechtert sich infolge des Hungerstreiks. Seit Tagen kann die Abgeordnete aufgrund ihrer körperlichen Schwäche ihre Anwälte nicht empfangen. Der Gesundheitszustand ist inzwischen lebensbedrohlich. Inzwischen haben sich fast 300 Gefangene aus circa 60 Haftnstalten dem unbefristeten Hungerstreik Güvens angeschlossen. In Erbil und in verschiedenen europäischen Städten, in Straßburg, ein paar Meter entfernt, sind 15 kurdische Aktivisten seit 39 Tagen im Hungerstreik.
Eine Lösung der kurdischen Frage lässt sich nur mit einem friedlichen und demokratischen Dialog finden, nicht durch Isolation und Inhaftierung. Ich appelliere an den Europarat, CPT, europäische Institution, die Türkei auf die Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonventionen, auch in Bezug auf Inhaftierte muss die Türkei umsetzen, auch im Fall Öcalan und die Isolationshaft beenden. Damit die Forderung von Leila Güven erhört wird, fordere ich eine Delegation des Europarates, Leyla Güven als auch Imrali zu besuchen. Brecht das Schweigen, Leyla Güven soll leben.
Danke schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin.
Meine Damen und Herren,
ich möchte zunächst einmal den Berichterstattern Marianne Mikko und Nigel Evans danken für diesen Bericht. Ich glaube, dass das sehr wichtig ist und wir als Fraktion der Linken werden diesen Bericht unterstützen. Ich möchte auch Roger Gale danken, der hier sozusagen die Berichterstatter vertritt.
Lassen Sie mich kurz eingehen auf die Debatte, die wir haben, und auf die Argumente, weil ich glaube, dass diese Debatte ein bisschen das Problem auch darstellt, wie es ist. Die Linke Fraktion hier, wir lehnen jede Form des Terrorismus ab. Das will ich mal sehr klar sagen. Aber das heißt noch nicht, dass wir der Meinung sind, dass es nicht einen Missbrauch von Antiterrorgesetzen geben kann, und ich glaube, was wir in der Türkei erleben, ist ein Missbrauch von Antiterrorgesetzen, die so weit gefasst werden, dass ganz viele Menschen, wahrscheinlich sogar viele unserer Kollegen hier, die nicht aus der Türkei sind, sozusagen unter diese Antiterrorgesetze fallen können. Das historische Beispiel für den Missbrauch von Antiterrorgesetzen ist wahrscheinlich der Fall von Nelson Mandela in Südafrika, der als südafrikanischer Präsident und während er den Friedensnobelpreis bekommen hat, immer noch auf der US-Terrorliste stand. Ein Beispiel - ich will das nicht vergleichen vom Sachverhalt, aber es ist sozusagen ein Beispiel, dass eben Antiterrorgesetze missbraucht werden können. und ich glaube, das ist gegenwärtig der Fall.
Ich komme aus Aachen. Die Stadt Aachen gibt jedes Jahr am 1. September, das ist der Beginn des Zweiten Weltkrieges, einen Aachener Friedenspreis. Dieser Aachener Friedenspreis ist vor zwei Jahren an die türkischen Akademiker gegangen. Elfhundert Akademiker haben einen Aufruf für den Frieden unterzeichnet, dass eben der Konflikt im Südosten der Türkei und darüber hinaus in Syrien, in Rojava, nicht militärisch gelöst wird, und sehr viele von ihnen wurden ins Gefängnis geworfen oder sind entlassen worden. Und diese Akademiker für den Frieden haben den Aachener Friedenspreis gekriegt.
Das ist ein Zeichen. Auch die Akademiker sind sozusagen mit den türkischen Antiterrorgesetzen dann verfolgt worden. Und ich glaube, diese Debatte hat auch ein bisschen gezeigt, dass wir es hier mit einem Missbrauch zu tun haben. Frau Günay, Sie haben eben gesprochen. Warum spricht denn niemand über die zwölf politischen Gefangenen in Katalonien, denen jetzt auch lange Haftstrafen drohen? Ja, wir tun das auch. Die sitzen gerade in der Cafeteria und wir haben Gespräche damit und es wird wahrscheinlich auch demnächst thematisiert werden. Aber wir reden hier heute über die Türkei. Das ist noch viel dringlicher und deshalb begrüße ich es sehr, dass diese Resolution hier vorgelegt wird, und ich hoffe auf eine sehr breite Zustimmung.
Vielen Dank.
Frau Vorsitzende, liebe Kolleginnen und Kollegen,
es geht in der Tat um die Frage des Gerichtsurteils, Herrn Demirtas freizulassen und das ist nicht irgendetwas, sondern ist eine zentrale Frage und das Herzstück unserer Organisation. Und das betrifft dann am Ende die härtesten Sanktionsmechanismen, die wir haben. Es gab den Fall Mammadov, das war der Artikel 46.4. Und ist es eben in der Tat keine Empfehlung an das Ministerkomitee; dann müsste man hier eine Zweidrittelmehrheit haben. Das ist eine Empfehlung an uns selbst, diese Frage zu prüfen, ob wir in Zukunft – wir haben ja noch ausstehend die Revision – ob wir in Zukunft dieses Verfahren sozusagen anstrengen und das Ministerkomitee dazu ermuntern wollen.
Austria, SOC, Spokesperson for the group
17:09:28
Danke sehr, Frau Vorsitzende.
Liebe Kollegen und Kolleginnen,
immer, wenn der Progress-Report des Monitoring-Komitees in die Versammlung kommt, haben wir ein gutes Beispiel, was eigentlich unser Monitoring-Verfahren, unsere Rapporteure hier leisten: Wie viele Stunden sie und wie viele Tage und Wochen sie in Ländern mit striktem Monitoring, Ländern mit imposed Monitoring, Länder aber auch im thematischen Monitoring, Polen zum Beispiel, unterliegt einem thematischen Monitoring-Verfahren, früher war es einmal Frankreich. Und die Reform, die wir geschafft haben vor wenigen Jahren, dass wir keine Zwei-Klassen-Gesellschaft haben, dass jene, die immer unter Monitoring sind und die anderen alten Mitgliedsländer, wo das nicht der Fall ist.
Und wir haben damals angefangen, das zu ändern. Mittlerweile waren Deutschland, Finnland, Belgien, Zypern, Andorra und so weiter dran. Jetzt ist Italien und Island im sogenannten periodischen Monitoring-Verfahren. Und das hat sich in den letzten Jahren bewährt. Es ist enorm viel Arbeit und es ist auch immer wieder ein guter Blick da hinein. Das Gute an dem Fortschrittsbericht oder Progress-Report ist, dass wir auch sehen, dass Erfolge da sind. Wenn wir gerade in den Kaukasus schauen, sowohl in Georgien als auch in Armenien: demokratische Regierungswechsel, Verfassungsreformen und so weiter und so fort. In Aserbaidschan die Freilassung von Ilgar Mammadov. In diesem Bericht steht auch Mehman Huseynov drinnen, bei dem nun das Verfahren – hier nach all unseren Diskussionen – jetzt gestoppt wird.
Aber ich gehe noch auf das periodische ein und da kommt mit Italien natürlich ein Sorgenkind heran. Italien hat wahnsinnig viel geleistet, gerade was die Flüchtlingsbewegung betrifft, und war neben Griechenland und Spanien sicherlich eines der am meisten betroffenen Länder. Aber was sich in den letzten Monaten mit der neuen Regierung abspielt, das bereitet uns tiefe Sorge.
Und wir werden wieder einen Václav-Havel-Preis wählen und vielleicht sollten wir uns überlegen, ihn an Mimmo Luciano zu geben, den Bürgermeister von Riace, denn der hat es geschafft, so mit den Flüchtlingen eine sterbende Ortschaft wieder auf Vordermann zu bringen – das beste Beispiel von Integration. Und was war die Antwort der neuen Regierung? Ihn zu kriminalisieren, unter Hausarrest zu stellen und all die Flüchtlinge, die dort wieder mit dem Handwerk, das es gar nicht mehr gegeben hat, begonnen haben, und diese Harmonie zwischen der dort lebenden Bevölkerung – das alles wurde im brutalste Weise zerstört. Und vielleicht wäre Mimmo Luciano einer der Kandidaten für den nächsten Václav-Havel-Preis. Auch im ursprünglichen Report, hier ist ja nur eine Zusammenfassung, sind auch unsere Bedenken, die Rolle Italiens gegenüber dem Schiff, das tausende Menschen gerettet hat, nämlich dem Hilfsschiff Aquarius.
Danke schön.
Danke sehr, Herr Vorsitzender.
Ich kann ja direkt bei Herrn Thierry nahtlos fortsetzen.
Es ist völlig richtig: die Gleichheit ist ein Menschenrecht und die Nichtdiskriminierung auch. Das sind wesentliche Grundrechte und ich bedanke mich beim Berichterstatter. Wir hatten ja schon sehr spannende Diskussionen im Kulturausschuss darüber, weil das ist ein ganz wichtiger. Ich sage immer wieder, wenn ich wohin komme: Wie ein Staat und eine Gesellschaft mit seinen Minderheiten umgeht, daran kannst du messen, wie sehr die Demokratie und die soziale Gerechtigkeit in einem Land entwickelt ist. Denn alle unsere Gesellschaften bestehen aus Mehrheiten und Minderheiten und die Frage ist sozusagen bei den Minderheiten: Ist es eine Minderheit, die schon immer im Siedlungsgebiet anwesend war? Wir sprechen da von autochthonen Minderheiten. Oder sind es neue Minderheiten, die zu uns gekommen sind?
Und es ist für mich ein bisschen erschütternd, dass das Rahmenübereinkommen vier Staaten nicht ratifiziert haben, weitere vier nicht einmal signiert und noch nicht ratifiziert logischerweise, wenn sie es nicht unterzeichnet haben. Und dass da so große Länder dabei sind wie Frankreich und die Türkei, die wahrlich hier einen wirklichen Nachholbedarf haben.
Und da geht es ja auch darum, Herr Grin hat das ja schon angesprochen, das muss man ja auch einmal aus der Perspektive der kulturellen Vielfalt sehen. Wir sollten stolz sein auf unsere Minderheiten, denn sie bereichern unser Leben und unsere Gesellschaft und sie bringen neue Einflüsse und neue Kulturen rein. Das muss einen Ausdruck finden im Benützen der Sprache, im Leben der Kultur, das bedeutet aber auch in der Ausbildung, das bedeutet im Umgang mit Behörden. Das heißt, eine Minderheit und ihre Sprache muss sichtbar sein. Und dieses Sichtbarmachen ist etwas, was ganz, ganz wichtig ist, weil Minderheiten sind nicht irgendwo, die man verstecken muss; sondern Minderheiten sind etwas, was einen Wert an sich in einer Gesellschaft hat.
Und auch die Partizipation am politischen Leben zum Beispiel, Partizipation in der Gesellschaft – das sind wichtige Dinge, und damit legt der Berichterstatter, indem er noch einmal urgiert, dass das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten durch die Mitgliedstaaten des Europarates endlich auch von jenen unterzeichnet wird, die bisher dies verschlafen haben.
Ich danke dafür.
Danke schön, Herr Präsident.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mich ebenfalls meinen Vorrednern anschließen und die Wichtigkeit von diesem Thema betonen.
Nach manchen Schätzungen gehört jeder siebte Europäer zu einer nationalen Minderheit oder autochthonen Gruppe. Meine Wenigkeit gehört zufälligerweise der deutschen Minderheit in Ungarn an, deswegen darf ich hier im Plenum diese europäisch etwas unterdrückte deutsche Sprache jetzt benutzen.
Ich meine erstens, dass der Herr Berichterstatter hier einen gut ausgewogenen Bericht vorgelegt hat und dafür gebührt ihm und allen Experten, die da mitgearbeitet haben, Dank.
Mit einigen Punkten möchte ich schon aber gewisse Ergänzungen hinzufügen. Dieser, ich nenne es mal Eiertanz um die Definitionen herum, ist nach meiner Ansicht – und erlauben Sie mir, das als Sprachwissenschaftler zu sagen – ist teilweise eine eher politisch motivierte Angelegenheit. In der Fachliteratur gibt es schon seit relativ langer Zeit einen gewissen Konsens darüber. Ich verweise hier zum Beispiel an die Minderheitenerklärung der UNO, Capotorti-Bericht und dergleichen, und wie schon viele Kollegen vor mir betont haben: es ist nicht möglich, nur wegen einer Definition dann die Rahmenkonventionen nicht zu ratifizieren für ein europäisches Land oder für einen Mitgliedstaat des Europarats – nach meiner Überzeugung.
Zweitens möchte ich hier schon den Unterschied betonen zwischen den klassischen nationalen Minderheiten, den autochthonen Minderheiten und den allochthonen Minderheiten, also den Migranten-Gemeinschaften. Weil, ich meine, dass auch in dieser Diskussion eben deswegen solche Missverständnisse erscheinen, die auch die Durchführung von Rahmenkonventionen, die natürlich in erster Linie für die klassisch nationalen Minderheiten gedacht wurden, dann eigentlich in einer gewissen Form hindern. Die Sprachen-Charta möchte ich ebenfalls erwähnen, den Schwestervertrag der Rahmenkonventionen sozusagen, um zu betonen, dass, ja, es müssen auch Kollektivrechte für das Weiterleben von einer nationalen Minderheit gesichert werden.
Und ein kleiner Satz zu der Lage in der Ukraine, das neue Bildungsgesetz in der Ukraine verstößt eindeutig übrigens gegen die Rahmenkonventionen und da gibt es jetzt einen Handlungsbedarf seitens der Ukraine.
Mein abschließender Gedanke wäre: Im Mai gibt es Europaparlamentswahlen. Es ist sehr, sehr wichtig, dass nicht nur der Europarat, sondern auch die EU sicher für die Vielfalt von Europa auch in Bezug auf die nationale Minderheiten einsetzt.
Danke schön.
(Nicht mündlich gehaltener Redebeitrag, Geschäftsreglement Art. 31.2) - Sehr geehrter Herr Präsident, Sehr geehrte Kollegen,
Ich danke dem Berichterstatter, dass er diesen wichtigen Bericht mit großer Begeisterung vorbereitet und dieses Thema auf unsere Tagesordnung gesetzt hat. Ich möchte auf einige wesentliche Punkte eingehen, die im Bericht leider fehlen.
Auch wenn der Schutz und die Förderung der Rechte von Minderheiten eines der grundlegendsten Prinzipien des Europarates ist, bedauere ich, dass einige Länder geneigt sind, die Rechte von Minderheiten permanent zu verletzen. Griechenland zum Beispiel stützt sich weiterhin auf den Vertrag von Lausanne als primäre Rechtsgrundlage für seine Politik gegenüber der türkischen Gemeinschaft in Westthrakien. Die griechische Regierung behauptet, dass die muslimische Minderheit in Westthrakien nicht homogen ist und aus drei verschiedenen Gruppen besteht, deren Mitglieder türkische, pomakische und Roma-Ethnie sind, die jeweils unterschiedliche Sprachen und kulturelle Traditionen haben. Ich möchte Sie daran erinnern, dass der Vertrag von Lausanne keine Definition der oben genannten Minderheiten enthält und sie auch nicht geografisch positioniert. Der Vertrag verbietet nicht die kollektive ethnische Identifizierung verschiedener Gruppen. Die griechische Regierung genehmigt, dass Gruppen wie die Pomak und die Roma sowie Verbände, die das Wort "Pomak" und "Roma" tragen, offen registriert werden. Allerdings sind die Mitglieder der türkischen Gemeinschaft nur eingeschränkt in den Genuss ihres Rechts auf Anerkennung ihrer türkischen Ethnie gekommen. Obwohl der EGMR einstimmig feststellte, dass die griechische Regierung gegen Artikel 11 (Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit) der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen hat, setzt sie die Urteile des EGMR über die Rechte nationaler Minderheiten nicht vollständig um.
Obwohl die griechische Regierung behauptet, sich bei ihrer Politik gegenüber der türkischen Minderheit in Westthrakien auf den Vertrag von Lausanne als wichtigste Grundlage zu stützen, wendet sie ihn weiterhin selektiv an und verweigert der türkischen Bevölkerung bestimmte grundlegenden Rechte und Freiheiten.
Ich glaube, dass diese Punkte bei dieser Aussprache berücksichtigt werden sollten, um sicherzustellen, dass die Entschließungen von allen Mitgliedern vollständig und ordnungsgemäß umgesetzt werden.