Vielen Dank Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir haben es gerade gehört von dem Kollegen aus Frankreich, aber es gilt nicht nur für Frankreich; es gilt für uns alle. Die Demokratie in Europa ist in Gefahr an den unterschiedlichsten Stellen. Und das ist die Herausforderung, der auch wir uns, als Europarat, jetzt eindringlich stellen müssen; auch vor dem Hintergrund dieser vergangenen Wahlen – vor dem Hintergrund einer erstarkenden Rechten überall in Europa. Da ist es wichtig, dass wir als Europäerinnen und Europäer zusammenstehen.
Es ist aber auch noch etwas Zweites wichtig. Ich glaube, wir werden als europäische Institution nur so wirksam sein, wie wir auch tatsächlich Lebensrealitäten von Menschen verbessern können – und ich finde, da müssen wir uns schon auch einmal ehrlich fragen: können wir das vermitteln; dass europäische Institutionen Lebensrealitäten verbessern können? Können wir die Jugendarbeitslosigkeit in der Europäischen Union, die bei über 16 % liegt, können wir den Menschen in Europa vermitteln, dass wir Lebensrealitäten verbessern können, wenn über 22 % der Menschen von Armut bedroht sind?
Ich finde es richtig; dass der Bericht ausdrücklich auf die Sozialcharta hinweist, dass er ausdrücklich auch auf die EU-Grundrechtscharta hinweist, die der Solidarität ein ganzes Kapitel widmet, und ich finde; es ist auch unsere Aufgabe als Europäerinnen und Europäer dieses Europarates, auch gegenüber der Europäischen Union für ein solidarisches Europa einzutreten, denn europäisch sein ist nichts neben gerecht sein, europäisch sein heißt gerecht sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Das gilt aber auch für etwas Weiteres; für unsere Hauptaufgabe – dem Schutz von Menschenrechten und Demokratie. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich kann hier heute nicht in diesen Hallen, wo wir die Menschenrechte von BürgerInnen aus 46 Mitgliedstaaten verteidigen sollen stehen, ohne an das gestrige Urteil gegen Herrn Osman KAVALA in Istanbul zu denken, denn nur aus politischen Gründen der menschenrechtswidrig, lebenslang verurteilt wurde. Ich denke, dass Autokratinnen und Autokraten glauben, sie könnten stärker sein als die Europäische Menschenrechtskonvention – aber diese Konvention ist mehr als ein Blatt Papier, sie ist die Garantie für die Menschen aus 46 Mitgliedstaaten, dass sie in Freiheit leben können, diese Freiheit – sie wird sich nicht unterdrücken lassen und es ist unsere Aufgabe, dieses Recht auf Freiheit für alle Bürgerinnen und Bürger zu stärken und deshalb wäre es auch ein guter Schritt, wenn die Europäische Union der Europäischen Menschenrechtskonvention beitritt.
Danke für diesen sehr guten Bericht.
Werter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,
es ist sehr richtig und wichtig, dass wir heute über das Verhältnis reden zwischen dem Europarat und der Europäischen Union – unserem Europarat, der seit 1949 die Werte der Demokratie, der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit verteidigt – und auf der anderen Seite der Europäischen Union, wo diese Werte nicht immer im großen Umfang festzustellen sind. Machen wir uns doch mal ganz ehrlich; die Europäische Union hat große Defizite bei der Demokratie. Das EU-Parlament selbst ist undemokratisch, das Prinzip One man, one vote gilt dort nicht; das ist viel zu weit entfernt von der Willensbildung der Bürger, die Willensbildung im Parlament ist intransparent und die Gewaltenteilung in der Europäischen Union funktioniert auch nicht mit einem ziemlich kommissionstreuen EuGH. Und das erkennen ja die Mitglieder der Kommission teilweise selbst, versuchen dann mit Experimenten wie der Konferenz zur Zukunft Europas zu hantieren, um neue Wege zu finden, wo dann also auch gar nicht mehr die Bürger, sondern irgendwelche NGOs Entscheidungen treffen sollen, meine Damen und Herren.
Auch die Treue der Europäischen Union zu den Menschenrechten muss spätestens dann hinterfragt werden, wenn wir uns ansehen, was so in Bezug auf die Proteste gegen das, was die Regierung so für richtig hielt, anschauen. Die wurden einfach mal niedergeknüppelt – egal, ob es sich um Demos gegen die Corona-Politik handelte oder beispielsweise die Bewegung der Gilets jaunes in Frankreich.
Ms Ursula VON DER LEYEN hat dort eben nichts getan – stattdessen hat die EU-Kommission aktiv Programme gegen Meinungsfreiheit aufgelegt. Ich muss ihn schon die Frage stellen, wo bei dem europäischen Aktionsplan für Demokratie die Meinungsfreiheit bleibt, wenn eine freie Meinungsäußerung im Endeffekt mit Infoboxen auf Facebook und Konsorten belegt wird; so nach dem Motto, du kannst zwar deine Meinung äußern, aber wir weisen gleich darauf hin – das ist nicht die Richtige. Auch die EU-Kommission ist für das menschenverachtende System der digitalen Covid-Zertifikate verantwortlich – übrigens ein Instrument, das in den USA aus Menschenrechtsgründen nie eingeführt wurde. Zuletzt kommen wir zu den Rechtsstaatlichkeitsproblemen. Die Verträge sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind. Die Verträge werden geschlossen und dann geschlossen ignoriert, wir sehen das an den Schulden und Fiskalregeln des Maastricht-Vertrags. Wo sind wir denn noch mit der 60 % Schulden-Regel von Bruttoinlandsprodukt – und wir sehen das eben auch bei dem Vertrag von Lissabon, der regelt, die Europäischen Union muss ich eigentlich der Europäischen Menschenrechtskonvention anschließen – aber sie will das nicht. Sie will das nicht, weil sie sich selbst für supranational hält, das EU-Recht nationalen Demokratien vorgeben soll, und da passt eine externe Bewertung, etwa durch den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof nicht. Zugegeben, ein solches Urteil zum Zustand der Demokratie der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit der EU müsste vernichtend ausfallen. Deswegen, Herr Berichterstatter, glaube ich, dass eine strategische Partnerschaft keinen Sinn macht.
Die Europäische Union muss sich der Europäischen Menschenrechtskonvention unterwerfen. Und sie darf das nicht unter Zuerkennung einer Staatlichkeit tun, sondern es muss so laufen; die Mitgliedstaaten haben Kompetenzen an die EU abgegeben. Wenn das passiert ist, dann muss über die Mitgliedstaaten hier eine Klagemöglichkeit existieren, wir müssen das in unseren Regularien umsetzen.
Vielen Dank.
Vielen Dank Herr Präsident,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
ohne jeden Zweifel hat die Europäische Union eine Integrationstiefe wie keine andere Organisation erreicht, und die Mehrzahl der Mitgliedstaaten im Europarat sind Mitglied in der Europäischen Union. Und die Mehrzahl derjenigen, die noch nicht Mitglied sind, wollen Teil der Europäischen Union werden.
Es geht heute also nicht um die Frage: Europäische Union oder Europarat, sondern um die Frage; wie können Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gemeinsam gelebt und vorangebracht werden.
Ein Blick in die Geschichte darf bei dieser Debatte nicht fehlen. In den 50er Jahren hat der Europarat die europäische Einigung angestoßen und während die europäischen Gemeinschaften noch ausschließlich im Bereich der Wirtschaft waren, hat der Europarat die Kraft der Freiheit, der Demokratie und der Menschenrechte betont. Und es war übrigens der Europarat, der zuerst eine europäische Hymne kreiert hat und die Flagge der Europäischen Union war die des Europarats; und die Europäische Union hat diese Flagge übernommen. Jetzt geht es darum, dass aus diesen geschichtlichen Errungenschaften wir uns der Verantwortung bewusst sind; dass die Kraft des Europarats auch in die Europäische Union wirkt und umgekehrt.
Ein wichtiges Zeichen muss sein, dass wenn über die Zukunft Europas diskutiert wird; dass es nicht allein um die Europäische Union geht, sondern auch um den Europarat.
Die integrative Kraft unserer Institution darf nicht vergessen werden. Und deswegen ist es wichtig, dass dort, wo Recht gesichert wird, im Bereich der Rechtsprechung, auch die Organisationen der Europäischen Union der Menschenrechtskonvention beitreten und ihr damit noch mehr Gewicht verschaffen.
Diese juristische Frage darf auch nicht am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg scheitern, sondern wir brauchen hier ein klares Commitment. Und am Ende des Tages wünsche ich mir, dass durch einen stärkeren Austausch, dass durch die Übernahmen von Konventionen durch die Europäische Union unsere Arbeit, Stärke gewürdigt werden; weil wir letzten Endes für Europa am gleichen Ziel arbeiten – nämlich die Herstellung von Frieden, Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. Und deswegen, vielen Dank lieber Mr Titus CORLĂŢEAN für diesen Bericht.
Ich empfehle Ihnen auch, ihn anzunehmen.
Herzlichen Dank.
Herzlichen Dank, lieber Mr Volker ULLRICH, für Ihren Beitrag.
Germany, EC/DA, Spokesperson for the group
12:38:27
Vielen Dank Herr Präsident,
werte Frau Kommissarin,
Sie haben ja in ihrem Jahresbericht für 2021 betont, dass die Polizei oftmals übermäßig gewalttätig gegen Demonstranten vorgegangen ist, die gegen Covid-Maßnahmen demonstriert haben. Das war in verschiedenen Ländern des Europarats leider der Fall, auch international hat das Aufmerksamkeit erregt. Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, hat das extrem gewalttätige und unverhältnismäßige Verhalten, insbesondere der deutschen Polizei, bei ihren Einsätzen gegen Demonstrationen kritisiert, und führte in seinem Bericht aus, dass die Handlungen an Folter erinnerten.
Meine Frage an sie ist jetzt natürlich; wissen Sie über diese schwerwiegenden Tatsachen Bescheid? Würden Sie das ähnlich bewerten wie Herr Nils MELZER? In welchen Ländern traten diese Probleme auf und wie haben Sie darauf reagiert? Haben Sie die Gespräche mit Regierungen gesucht oder wird es tatsächlich noch dringende Empfehlungen an die betroffenen Länder geben?
Vielen Dank.
Vielen Dank Frau Menschenrechtskommissarin,
ich würde gern zwei Fälle noch ansprechen, die hier noch nicht zur Sprache gekommen sind.
Einmal Julian Assange; er ist ja schon über drei Jahre in einem Hochsicherheitsgefängnis in Belmarsh in einer winzigen Zelle, in schlechter Gesundheit und letzte Woche wurde sozusagen die Auslieferung frei gegeben. Diese Versammlung hat im Januar 2020 eine sehr deutliche Position eingenommen und gesagt; diese Auslieferung muss gestoppt werden und er muss sofort freigelassen werden – wegen dem Präzedenzfall, den er auch darstellt. Sie haben im Februar 2020 auch sich in einer ähnlichen Richtung geäußert, wie ist die Situation, was kann man da jetzt tun, was wären die nächsten Schritte?
Das wäre vielleicht auch nächsten Montag, was sie angesprochen haben; und zweitens, wenn sie kurz noch mal eingehen könnten auf den Fall Mr Selahattin DEMIRTAş, wo Sie ja eine Third Party Intervention gemacht haben vor dem Gerichtshof.
Vielen Dank für die klaren Worte zu Mr Osman KAVALA, aber ich glaube, wir müssen auch Mr Selahattin DEMIRTAş nicht vergessen.
Vielen Dank.